Stellen Sie sich vor, Sie betreten die Lobby einer großen Versicherung. Gediegene Atmosphäre, Holzvertäfelung, dicke Teppiche – hier scheint die Zeit ein wenig langsamer zu laufen. Doch draußen, in der digitalen Welt, dreht sich alles rasant. Kunden erwarten schnelle, flexible Lösungen, digitale Services rund um die Uhr – und das zu Recht. Die Versicherungsbranche steht deshalb vor einer Zeitenwende. Agilität wird nicht nur zum Modewort, sondern zur Überlebensstrategie. Doch was bedeutet das konkret – und wie sieht agiles Arbeiten im Versicherungsunternehmen aus? Agilität in der Versicherungsbranche – Begleiten Sie uns auf eine Reise vom Traditionshaus zum agilen Dienstleister.

Was bedeutet Agilität – und warum ist sie für die Versicherungsbranche so relevant?
Agilität beschreibt die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren, schnell zu lernen und sich konsequent an den Bedürfnissen der Kund:innen auszurichten. Für Versicherungen bedeutet das einen gewaltigen Kulturwandel. Denn traditionell sind sie geprägt von:
- langen Produktentwicklungszyklen
- festgefügten Hierarchien
- strengen regulatorischen Vorgaben
- wenig Innovationsfreude
Doch Risiken und Lebensumstände verändern sich heute viel schneller. Die Digitalisierung, neue Wettbewerber und ein verändertes Kundenverhalten erzwingen ein Umdenken.
Storytelling-Moment:
Nehmen wir das Beispiel „Kunde Max“: Max ist 32, digital affin, wechselt öfter den Wohnort. Er erwartet, Policen online und per App zu verwalten, Anpassungen mit wenigen Klicks vorzunehmen und im Schadenfall unkomplizierte Hilfe zu erhalten. Würde Max sich bei der Versicherung mit unverständlichen Formularen, langen Wartezeiten und starren Prozessen konfrontiert sehen, sucht er sich schnell einen agileren Anbieter.
Die Folge: Wer heute nicht agil ist, verliert morgen den Kunden.
Die sechs Säulen der Agilität in der Versicherungsbranche
Wie gelingt der Wandel vom trägen Dampfer zum wendigen Schnellboot? Erfolgreiche Versicherer setzen auf folgende Prinzipien:
1. Kundenorientierung
Der Kunde steht im Zentrum – nicht mehr das Produkt. Agile Teams entwickeln Dienstleistungen eng entlang der Bedürfnisse ihrer Zielgruppen. Regelmäßiges Feedback und ein schneller Austausch werden zur Selbstverständlichkeit.
2. Interdisziplinäre Teams
Anstelle von klassischen Abteilungsstrukturen arbeiten Teams bereichsübergreifend zusammen. Ein Entwickler, ein Produktmanager, ein Jurist, ein Kundenberater – alle bündeln ihre Kompetenzen, um gemeinsam Lösungen zu schaffen.
3. Iterative Entwicklung
Klassische Projekte laufen oft nach dem „Wasserfallprinzip“ – ein Schritt folgt dem nächsten. Agilität setzt auf kurze Zyklen (Sprints), schnelle Prototypen und kontinuierliche Verbesserungen. Fehler werden früh erkannt und korrigiert.
4. Transparenz und Kommunikation
Wissen wird geteilt, Silos werden abgebaut. Agile Methoden wie Scrum oder Kanban fördern regelmäßige Abstimmung, beispielsweise in Daily Stand-ups oder Retrospektiven.
5. Schnelle Entscheidungswege
Langwierige Genehmigungsprozesse hemmen Innovation. Agile Organisationen setzen auf Eigenverantwortung und dezentrale Entscheidungen.
6. Lernen als Prinzip
Veränderung wird zum Dauerzustand. Wer agil ist, investiert regelmäßig in die Weiterbildung seiner Mitarbeitenden und fördert eine Kultur des Experimentierens.
Herausforderungen: Agilität ist (noch) kein Selbstläufer
Der Weg zur agilen Organisation gleicht oft einer kleinen Revolution. Folgende Stolpersteine sind typisch:
- Kulturwandel: Agiles Arbeiten verlangt Vertrauen, Offenheit und Mut zur Veränderung – nicht jeder fühlt sich von Anfang an wohl damit.
- Regulatorik: Strenge gesetzliche Vorgaben erfordern Flexibilität im Rahmen der Compliance.
- Komplexe IT-Landschaften: Viele Versicherer kämpfen mit veralteten Systemen, die schnelle Anpassungen erschweren.
- Führungskräfteentwicklung: Leadership verändert sich – gefragt sind jetzt Coaches und Wegbereiter, keine klassischen „Chefs“.
Doch: Wer sich diesen Herausforderungen stellt, wird langfristig flexibler, innovativer und relevanter für den Kunden!
Praxisbeispiel: Agilität im Schadenmanagement
Konkrete Anwendung? Nehmen wir das Schadenmanagement – traditionell ein aufwendiger Prozess, der Kunden viel Geduld abverlangte. Mithilfe agiler Methoden wurde in einem großen Versicherungsunternehmen innerhalb von 12 Wochen ein neuer digitaler Service pilotiert. Ein interdisziplinäres Team entwickelte mit täglichem Austausch und viel Nutzerfeedback eine App, mit der Schäden in wenigen Minuten gemeldet und direkt bearbeitet werden. Seitdem ist die Kundenzufriedenheit deutlich gestiegen – und die Organisation hat gelernt, dass auch große Räder agil gedreht werden können.
Zusammenfassung
Die Versicherungsbranche steht vor der Herausforderung, sich neu zu erfinden, um den gestiegenen Erwartungen der Kund:innen und der rasanten Marktentwicklung gerecht zu werden. Agilität ist kein Trend, sondern ein notwendiger Paradigmenwechsel: Kundenorientierung, Teamvielfalt, iterative Entwicklung, Transparenz, schnelle Entscheidungen und kontinuierliches Lernen bilden die Basis für flexible und nachhaltige Innovationen. Wer den Wandel aktiv gestaltet, steigert Zufriedenheit, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherheit.
Handlungsempfehlungen
- Kultur öffnen: Schaffen Sie ein Umfeld, in dem Fehler als Lernchance begriffen werden und Experimente ausdrücklich erwünscht sind.
- Interdisziplinäre Teams aufbauen: Setzen Sie auf gemischte Teams, die unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen und gemeinsam Verantwortung übernehmen.
- Kunden aktiv einbinden: Holen Sie frühzeitig und regelmäßig Feedback ein, um Produkte und Dienstleistungen nah an den Bedürfnissen der Kund:innen zu entwickeln.
- Kurze Entscheidungswege etablieren: Reduzieren Sie Hierarchien und fördern Sie Eigenverantwortung, um schneller auf Veränderungen reagieren zu können.
- Agile Methoden einführen: Trainieren Sie Ihr Team in agilen Arbeitsweisen wie Scrum, Kanban oder Design Thinking – und testen Sie diese in Pilotprojekten.
- Weiterbildung zur Priorität machen: Investieren Sie in die Entwicklung von Fach- und Methodenkompetenzen sowie in die Führungskräfte von morgen.
Wer heute die ersten Schritte hin zu mehr Agilität geht, gewinnt nicht nur Geschwindigkeit, sondern legt den Grundstein für eine kundennahe, innovative und starke Versicherungswelt von morgen.