INVEST Kriterien – N wie Negotiable – In der modernen, agilen Softwareentwicklung sind User Stories der Schlüssel, um Anforderungen präzise, verständlich und umsetzbar für Entwicklungsteams zu formulieren. Doch damit eine Story wirklich Wirkung entfaltet, muss sie mehr bieten als nur technische Spezifikationen – sie sollte zum Dialog einladen und verschiedene Perspektiven zulassen. Genau hier setzt das INVEST-Modell an. Besonders das „N“ für Negotiable wird jedoch oft unterschätzt – dabei ist Verhandelbarkeit eine tragende Säule praktizierter Agilität. Dieser Artikel beleuchtet daher umfassend die Bedeutung und Umsetzung von Negotiable, ergänzt um Praxistipps und konkrete Maßnahmen für den Arbeitsalltag.

Das INVEST-Modell im Überblick
Bevor wir unseren Fokus auf Negotiable legen, bietet sich folgende Einordnung an: INVEST ist ein Akronym, das den Qualitätsrahmen für User Stories setzt und für folgende Eigenschaften steht:
- Independent (Unabhängig)
- Negotiable (Verhandelbar)
- Valuable (Wertvoll)
- Estimable (Schätzbar)
- Small (Klein genug)
- Testable (Testbar)
Erst die Kombination aller sechs Merkmale sorgt dafür, dass User Stories nicht nur umsetzbar, sondern auch sinnvoll priorisierbar und im Nutzwert messbar sind. Dennoch entfaltet jedes einzelne Kriterium in der agilen Praxis eine eigenständige Wirkung – insbesondere Negotiable, wie die folgenden Abschnitte zeigen.
Negotiable – Was heißt „verhandelbar“ in der Praxis?
Während „independent“ oder „testable“ oft klar sind, herrscht bei Negotiable teilweise Unsicherheit: Muss jede Story wirklich offen verhandelt werden? Genau darin liegt der Vorteil! Denn eine verhandelbare Story ist keine sture Vorgabe, sondern eher eine Einladung zum Austausch, bei dem Details im Team erarbeitet und angepasst werden können.
Was macht eine User Story negotiable?
Eine Negotiable Story zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- Flexibel in der Ausgestaltung: Sie beschreibt das Ziel, aber nicht alle Details der Umsetzung.
- Akzeptanzkriterien als Diskussionsgrundlage: Diese sind konkret, aber können im Gespräch angepasst werden.
- Einladung zur Mitgestaltung: Das Team kann bei der Lösungsgestaltung fachliches Wissen und kreative Ideen einbringen.
- Praktische Anpassbarkeit: Bei neuen Erkenntnissen oder technischen Hürden lassen sich Stories kurzfristig anpassen – ohne lange Umwege über das Management.
Beispiele aus der Praxis
Wenig negotiable (starre Vorgabe):
„Das Dashboard muss die Umsätze der letzten 30 Tage genau nach dem im Anhang befindlichen Mockup anzeigen.“
Negotiable (flexibel formuliert):
„Als Vertriebsleiter möchte ich auf dem Dashboard meinen Umsatzverlauf der letzten 30 Tage sehen, damit ich Trends unmittelbar erfassen kann.“
Akzeptanzkriterien können hier gemeinsam definiert werden: Sollen die Daten grafisch oder tabellarisch dargestellt werden? Welcher Zeitraum und welche Filter sind sinnvoll?
Verhandelbarkeit als Innovationsmotor im Team
Statt eine fertige Lösung im stillen Kämmerlein zu diktieren, öffnet Negotiable Räume für Verbesserungen:
- Kreativität wird freigesetzt, weil Entwickler und Stakeholder alternative Lösungswege vorschlagen können.
- Motivation steigt, denn das Team erfährt Wertschätzung für Expertise und Erfahrung, die in die Produktgestaltung einfließt.
- Produktqualität wächst, indem verschiedene Perspektiven kombiniert und die bestmöglichen Resultate erarbeitet werden.
- Flexibilität wird erhöht: Dank ständiger Bewertung neu gewonnener Erkenntnisse kann die Story an technische und fachliche Gegebenheiten angepasst werden.
Positive Effekte auf Produkt und Team
Durch actively negotiated Stories erreichen Unternehmen:
- Schnellere Reaktion auf Veränderungen
- Weniger Missverständnisse und unnötige Nacharbeiten
- Höhere Zufriedenheit bei Entwicklern, Product Ownern und Stakeholdern
- Bessere Skalierung der agilen Zusammenarbeit
Bindewörter als Signal für gelungenen Dialog
Gerade im Dialog und in der Verschriftlichung von User Stories sind Bindewörter unverzichtbar, weil sie verschiedene Aspekte und Anforderungen logisch verbinden. Sie fördern Klarheit, erleichtern die Struktur und machen die Geschichte einer Story nachvollziehbar. Bindewörter wie „weil“, „damit“, „obwohl“, „so dass“ oder „deshalb“ machen den Zusammenhang zwischen Ziel und Nutzen transparent:
„Als User möchte ich das Dashboard individuell konfigurieren, damit ich die für mich wichtigsten Kennzahlen auf einen Blick sehe.“
Bindewörter fördern den Austausch im Team und sorgen für flüssigere, inhaltsstärkere Diskussionen während des Refinements oder der Sprint-Planung.
So setzen Sie Negotiable gezielt um
Um das Kriterium Negotiable im Alltag zu leben, sollten Product Owner und Entwicklungsteams einige Grundsätze beherzigen:
Empfehlungen für die Praxis
- Storys gemeinsam im Refinement besprechen
Nutzen Sie Workshops oder regelmäßige Refinement-Sessions, um Stories zu diskutieren und Anpassungen vorzunehmen. - Akzeptanzkriterien nie in Stein meißeln
Lassen Sie Spielräume für spätere Optimierungen offen, etwa wenn technische Alternativen sinnvoll sind. - Stakeholder einbeziehen
Sorgen Sie für offenen Austausch zwischen Product Owner, Entwicklern und Fachbereichen – so verhindern Sie Missverständnisse, weil jeder Beteiligte die Story versteht. - Entscheidungen dokumentieren, aber nicht bürokratisieren
Halten Sie essentielle Absprachen fest, verzichten Sie jedoch auf überbordende Dokumentation.
Weitere Praxis-Tipps
- Sehen Sie User Stories als Startpunkt für Dialoge, nicht als fertige Anweisungen.
- Fördern Sie eine offene Teamkultur, in der Rückfragen ausdrücklich erwünscht sind.
- Erkennen Sie Änderungen als Zeichen für gelebte Agilität und nicht als Nachlässigkeit.
- Achten Sie bei der Story-Formulierung auf eine gute Balance zwischen Zielklarheit und Ausgestaltungsoffenheit.
Fazit INVEST Kriterien – N wie Negotiable: Negotiable als DNA der agilen Arbeitsweise
In der agilen Produktentwicklung ist Negotiable keine formale Regel, sondern Ausdruck echter Teamzusammenarbeit. Erst der offene, verhandelbare Charakter einer User Story führt dazu, dass Produktqualität, Motivation und Innovationskraft wachsen. Deshalb gilt: Wer User Stories als feste Vorgaben auslegt, verschenkt wertvolles Potenzial. Vielmehr sollte Negotiable als Einladung gesehen werden, gemeinsam das beste Produkt zu entwickeln.