Agile Programme: SAFe, Nexus & Co. – Die Anforderungen an moderne Unternehmen wachsen stetig, während gleichzeitig Geschwindigkeit, Flexibilität und Kundenorientierung zu zentralen Wettbewerbsfaktoren avancieren. Traditionelle Projektmanagement-Methoden geraten dabei oft an ihre Grenzen, weil sie der Dynamik digitaler Märkte kaum noch gewachsen sind. Immer häufiger stellt sich die Frage: Wie lässt sich Agilität von einzelnen Teams auf das gesamte Unternehmen übertragen? Hier kommen skalierte agile Frameworks wie SAFe, Nexus und weitere ins Spiel. Doch worin unterscheiden sich diese Ansätze eigentlich – und warum sind sie für die Transformation vieler Unternehmen so relevant?
Warum skalierte Agilität?
Agilität hat sich in der Softwareentwicklung längst etabliert – viele Unternehmen arbeiten heute mit Scrum oder Kanban in kleineren Teams. Sobald jedoch mehrere Teams parallel an einem Produkt oder Projekt arbeiten, reichen klassische agile Methoden nicht mehr aus. Es entstehen Abstimmungsprobleme, Ziele werden unterschiedlich interpretiert und die Qualität der Zusammenarbeit leidet häufig darunter. Genau an diesem Punkt setzen Frameworks für die skalierte Agilität an. Sie bieten bewährte Strukturen und Prozesse, um mehrere Teams effektiv auszurichten, Austausch zu fördern und Businessziele bestmöglich zu erreichen.
Darüber hinaus entsteht in wachsenden Unternehmen sehr schnell eine Komplexität, die mit punktuellen Abstimmungen nicht mehr zu meistern ist. Deshalb schaffen skalierte agile Frameworks Transparenz auf allen Ebenen und stellen sicher, dass Produktziele aktuell, priorisiert und für alle Teams verständlich bleiben. Gerade in Organisationen mit mehreren Standorten profitieren Unternehmen davon, dass übergreifende Prinzipien und Werte für alle verbindlich gestaltet werden, ohne den Agilitätsgedanken zu verwässern.
Agile Programme: SAFe, Nexus & Co. – Die wichtigsten Frameworks im Überblick
Verschiedene Organisationen und Communities haben in den vergangenen Jahren eigene Frameworks entwickelt, um die Prinzipien agiler Zusammenarbeit über die Team-Ebene hinaus zu etablieren. Im Folgenden stellen wir die drei bekanntesten Ansätze vor und zeigen auf, wodurch sie jeweils punkten – oder sich unterscheiden:
1. SAFe (Scaled Agile Framework)
SAFe zählt aktuell zu den weltweit am weitesten verbreiteten Ansätzen für skalierte Agilität. Das Framework richtet sich gezielt an größere Organisationen, in denen dutzende oder sogar hunderte Mitarbeitende in mehreren agilen Teams organisiert arbeiten. Ein zentraler Vorteil von SAFe liegt in der klaren Strukturierung der Ebenen: Während die Team-Ebene nach klassischen Scrum-Prinzipien organisiert ist, gibt es zusätzliche Ebenen – zum Beispiel die „Program“- und „Portfolio“-Schicht. Dadurch lassen sich Initiativen, Ressourcen und strategische Ziele über verschiedene Hierarchieebenen hinweg abstimmen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der kontinuierlichen Verbesserung sowie auf synchronisierten Planungszyklen, sodass Teams regelmäßig gemeinsam planen, abstimmen und liefern.
Kern-Features von SAFe:
- Detaillierte Rollen- und Gremienstruktur: Zum Beispiel Release Train Engineer, System Architect, Product Owner.
- Synchronisierte Iterationen: Program Increment Planning und gemeinsames Review aller Teams.
- Enge Verzahnung von Business und IT: Strategische Alignment-Mechanismen im Portfolio-Management.
- Skalierbarkeit: Auch für sehr große Organisationen geeignet.
- Lernkultur: Fokus auf kontinuierliche Verbesserung und regelmäßige Retrospektiven.
Vorteile von SAFe
SAFe glänzt mit einer umfassenden Dokumentation, die Unternehmen konkrete Handlungsempfehlungen bietet. Durch die Einführung von Program Increments und regelmäßigen gemeinschaftlichen Plannings wird die funktionsübergreifende Zusammenarbeit gefördert – das erhöht die Transparenz und verringert Abhängigkeiten. Zusätzlich sorgt die strukturierte Implementierung dafür, dass selbst in komplexen Organisationen Konsens über Strategie- und Entwicklungsziele besteht. Für Unternehmen, die regulatorischen Anforderungen unterliegen oder auf starke Governance Wert legen, bietet SAFe hilfreiche Mechanismen zur Vereinbarkeit von Agilität und Compliance.
Herausforderungen von SAFe
Die Einführung von SAFe erfordert ein Umdenken in sämtlichen Hierarchiestufen, da es zahlreiche neue Rollen, Meetings und Abstimmungsprozesse einführt. Es kostet Zeit, alle Ebenen mitzunehmen und für die Philosophie zu begeistern. Meist ist auch eine initiale Investition in Coaching und Change Management unverzichtbar, um gegen Rückfall in alte Muster zu schützen. Ohne echtes Commitment kann der Mehrwert von SAFe jedoch nicht aktiviert werden.
2. Nexus
Das Nexus-Framework wurde von Ken Schwaber, einem der ursprünglichen „Erfinder“ von Scrum, entwickelt. Ziel ist es, mehrere Scrum-Teams effizient auf ein gemeinsames Produkt auszurichten – ohne den Kern von Scrum zu verwässern. Nexus baut auf existierenden Scrum-Mechanismen auf und ergänzt sie unter anderem durch ein Nexus Integration Team, das sicherstellt, dass alle Teams wirklich gemeinsam liefern. Anstatt komplexer Hierarchien bietet Nexus vor allem pragmatische Abstimmungsmechanismen, sodass Probleme frühzeitig erkannt und schnell gelöst werden können. Weil Nexus sehr nah an Scrum bleibt, ist die Hürde für den Einstieg besonders niedrig – vorausgesetzt, alle Teams arbeiten bereits nach dem Scrum-Framework.
Die Besonderheiten von Nexus:
- Fokus auf Integration: Gemeinsame Produktentwicklung mehrerer Scrum-Teams.
- Zusätzliche Events: Nexus Sprint Planning, Nexus Sprint Review, Nexus Sprint Retrospective.
- Nexus Integration Team: Verantwortung für die Integration und Beseitigung von Abhängigkeiten.
- Schlanke Erweiterung: Geringer Overhead, leichte Skalierungsoption.
- Geeignet für 3 bis 9 Teams: Insbesondere für mittelgroße Produktentwicklungen.
Vorteile von Nexus
Da Nexus das Scrum-Framework kaum verändert, bleibt die Agilität erhalten, während zusätzliche Koordinationsebene für Synchronität sorgt. Das bedeutet, dass Teams weiterhin eigenverantwortlich agieren, jedoch durch gemeinsame Integrationsrituale Fehler frühzeitig erkennen und beheben. Besonders in Umgebungen, in denen stabile Scrum-Teams bereits etabliert sind und Produkte gemeinsam entstehen sollen, empfiehlt sich Nexus als pragmatische Lösung.
Herausforderungen von Nexus
Bei wachsender Teamanzahl und sehr unterschiedlichen Produktbereichen stößt Nexus an Grenzen, da es bewusst auf komplexe Governance verzichtet. Auch die Abbildung strategischer Unternehmensziele wird eher dem Management außerhalb des Frameworks überlassen. Voraussetzung für den Erfolg mit Nexus ist daher eine reife agile Basis – andernfalls drohen Fehlerquellen und Integrationsprobleme.
3. Weitere Ansätze: LeSS, Spotify Model & Co.
Abseits von SAFe und Nexus gibt es noch zahlreiche weitere Frameworks, deren Ziel ebenfalls die koordinierte, skalierte Agilität ist – wenn auch mit unterschiedlichem Fokus und Vorgehen:
- LeSS (Large-Scale Scrum): LeSS verfolgt einen besonders schlanken Ansatz und verzichtet auf zusätzliche Hierarchien. Dabei agieren mehrere Teams synchron unter einer gemeinsamen Produktvision und arbeiten mit fast identischen Rollen wie im Scrum.
- Spotify Model: Ursprünglich für Spotify entwickelt, setzt dieses Modell auf autonome Squads, Chapters und Tribes. Hier steht die dezentrale Organisation sowie eine ausgeprägte Vertrauenskultur im Vordergrund.
- Scrum@Scale: Entwickelt von Jeff Sutherland, ist dieser Ansatz besonders leichtgewichtig und bietet viel Flexibilität beim Skalieren von Scrum über mehrere Teams.
- Disciplined Agile Delivery (DAD): DAD legt den Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette vom ersten Konzept bis zum Betrieb und unterstützt Unternehmen beim Auswählen, Kombinieren und Anpassen agiler Praktiken.
Fazit zu alternativen Frameworks
Unternehmen, die sehr individuelle Anforderungen haben oder ihre eigene Agilitätskultur weiterentwickeln möchten, profitieren oft von hybriden Ansätzen oder der gezielten Auswahl einzelner Framework-Bausteine. Gerade das Spotify Model gilt nicht als klassisches Framework, sondern vielmehr als Inspirationsquelle für moderne Organisationsstrukturen. Dennoch sollte jede Organisation prüfen, wie viel Struktur hilfreich und wie viel Eigenverantwortung tatsächlich tragfähig ist.
Worauf sollte ein Unternehmen bei der Auswahl achten?
Welches Framework letztlich das richtige ist, hängt stark von der Unternehmensgröße, der bestehenden Organisationsstruktur und den angestrebten Zielen ab. Während SAFe häufig für Großunternehmen attraktiv ist, profitieren mittelständische Unternehmen oftmals eher von Nexus oder LeSS, weil der organisatorische Overhead geringer bleibt. Mitentscheidend ist zudem die aktuelle Reife der agilen Teams sowie die Bereitschaft, bestehende Strukturen wirklich zu hinterfragen.
Auswahlkriterien auf einen Blick
- Organisationsgröße: Je größer und komplexer das Unternehmen, desto strukturierter sollte das Framework sein.
- Bestehende agile Erfahrungen: Je erfahrener Teams mit Scrum arbeiten, desto einfacher gelingt der Umstieg auf schlankere Frameworks wie Nexus oder LeSS.
- Angestrebte Agilitätsziele: Geht es eher um technische Abstimmung oder vor allem um cross-funktionale Innovation?
- Kultur und Führungsstil: Passen die Werte des Frameworks zur Unternehmenskultur?
- Change-Bereitschaft: Je nach Framework ist der Anpassungsaufwand sehr unterschiedlich.
- Technologische Infrastruktur: Sind die eingesetzten Tools und Kommunikationsstrukturen geeignet, eine effektive Kollaboration sicherzustellen?
- Reifegrade und Geschwindigkeit: Wie schnell müssen Veränderungen erfolgen, und wie viel Lernbereitschaft ist vorhanden?
- Regulatorische Anforderungen: Müssen bestimmte Compliance-Regeln eingehalten werden?
Erfolgsfaktoren für die Einführung skalierten agilen Arbeitens
Die Auswahl und Einführung eines agilen Frameworks ist nicht nur eine methodische, sondern vor allem eine kulturelle Aufgabe. Organisationen sollten ihre Mitarbeitenden eng einbinden, Weiterbildung fördern und Veränderungsbereitschaft stärken. Folgende Aspekte haben sich in der Praxis als besonders erfolgsentscheidend erwiesen:
- Führung als Vorbild: Agiles Arbeiten beginnt „oben“, denn ohne Leadership-Commitment scheitert jede Transformation.
- Transparenz und Kommunikation: Klare Ziele und regelmäßige Abstimmung schaffen Vertrauen in den Prozess.
- Lern- und Fehlerkultur: Je offener Teams Erfahrungen teilen, desto besser gelingt die kontinuierliche Verbesserung.
- Individuelle Anpassung: Frameworks sind kein Selbstzweck, sondern müssen stets an die unternehmensspezifischen Anforderungen angepasst werden.
- Fokus auf Kundennutzen: Nicht die Methode steht im Zentrum, sondern der Mehrwert für den Kunden – daran sollten sich alle Maßnahmen messen lassen.
Praktische Tipps für einen erfolgreichen Start
Um Frustration zu vermeiden und die Motivation hochzuhalten, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Best Practices aus erfolgreichen Transformationen lauten:
- Kleines Pilotprojekt wählen: Ein klar abgegrenztes Projekt eignet sich hervorragend, um Erfahrungen zu sammeln und Frameworks im überschaubaren Rahmen auszuprobieren.
- Interne Champions und Agile Coaches ausbilden: Eigenes Know-how sorgt für nachhaltigen Kompetenzaufbau.
- Feedbackzyklen aktiv nutzen: Regelmäßige Retrospektiven helfen, Herausforderungen zu identifizieren und Verbesserungen einzuleiten.
- Tool-Unterstützung einführen: Digitale Tools können Transparenz, Kollaboration und Planung erheblich erleichtern.
- Ziele zu jeder Zeit transparent machen: Nur wenn allen Beteiligten klar ist, worauf hingearbeitet wird, stimmen Ausrichtung und Motivation.
Fazit: Agile Programme: SAFe, Nexus & Co. – Skalierte Agilität ist kein Selbstläufer
Die Einführung agiler Frameworks wie SAFe, Nexus oder LeSS ist selten ein reiner Selbstläufer. Denn nicht allein die Methode entscheidet über den Erfolg, sondern auch die Bereitschaft zur echten Veränderung, die Einbindung aller Führungskräfte und die konsequente Ausrichtung an der Unternehmensstrategie. Klar ist: Frameworks können Orientierung und wertvolle Praktiken bieten, doch letztlich müssen Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen im Unternehmen dauerhaft weiterentwickelt werden. Entscheidend ist, dass Organisationen kontinuierlich reflektieren und die Instrumente wählen, die am besten zu ihren jeweiligen Herausforderungen passen. Wer diesen Prozess offen und konsequent gestaltet, legt den Grundstein für mehr Flexibilität, höhere Geschwindigkeit und nachhaltigen Markterfolg.
Abschließend sollte festgehalten werden, dass der Schlüssel zum Gelingen agiler Skalierung nicht im „blinden“ Übernehmen eines Rahmenwerks, sondern im intelligenten Anpassen und Weiterentwickeln liegt – immer unter Berücksichtigung der eigenen Unternehmenskultur und Herausforderungen. Denn nur so bleibt Agilität kein leeres Schlagwort, sondern wird zum echten Motor für Innovation und Zukunftssicherheit.