Die ITIL Service Value Chain erklärt – Die Digitalisierung fordert von Unternehmen immer effizientere und flexiblere IT-Services. Doch wie gelingt es, Services so zu gestalten, dass sie für das Unternehmen und die Kunden wirklich einen Mehrwert schaffen? Die Antwort darauf liefert ITIL 4 mit dem Konzept der Service Value Chain. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff, wie funktioniert die Service Value Chain in der Praxis, und was sollten IT-Manager, Prozessverantwortliche und CIOs unbedingt wissen? In diesem Fachartikel erfahren Sie, wie Sie mit der ITIL Service Value Chain die Wertschöpfung Ihrer IT nachhaltig steigern.

Was ist die ITIL Service Value Chain?
Die ITIL Service Value Chain (SVC) bildet das zentrale Element des ITIL 4 Frameworks. Sie beschreibt die Aktivitäten und Prozesse, mit denen ein Unternehmen IT-Services plant, entwickelt, bereitstellt und kontinuierlich optimiert. Anders als in früheren ITIL-Versionen, bei denen Prozesse eher sequenziell betrachtet wurden, steht nun ein flexibler und adaptiver Ansatz im Fokus. Mit der Service Value Chain gelingt es, Silostrukturen zu überwinden und das Service Management ganzheitlich auszurichten.
Die zentrale Idee: IT-Organisationen konzentrieren sich nicht mehr nur auf die reine Bereitstellung von Services, sondern verstehen sich als Wertschöpfungspartner innerhalb des gesamten Unternehmens. Durch die Kombination verschiedener Aktivitäten innerhalb der Value Chain entstehen Service Value Streams, die konkrete Kundenergebnisse liefern.
Aufbau und Elemente der ITIL Service Value Chain
Die Service Value Chain besteht aus sechs Kernaktivitäten, die beliebig kombiniert werden können – je nachdem, welchen Wert ein Service oder Produkt liefern soll. Diese zentrale Flexibilität unterscheidet die Service Value Chain grundlegend von klassischen Prozessketten.
Die sechs Aktivitäten der ITIL Service Value Chain:
- Plan
Hier legen Sie Ziele, Richtlinien und Anforderungen fest, die das gesamte Service Management steuern. Eine stabile Planung ist die Voraussetzung dafür, dass alle weiteren Aktivitäten aufeinander abgestimmt sind. - Improve
Während viele Unternehmen Verbesserungen als einmaliges Projekt begreifen, fordert ITIL einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Durch Learnings, Feedbacks und Innovationen halten Sie Ihre Services immer auf dem neuesten Stand. - Engage
Der Dialog mit Kunden, Anwendern, Partnern und Lieferanten ist unabdingbar. Ohne regelmäßigen Austausch laufen Sie Gefahr, an den Bedürfnissen Ihrer Stakeholder vorbei zu arbeiten. - Design & Transition
Hier entstehen Konzepte und Lösungen, die sämtliche Anforderungen erfüllen. Anschließend überführen Sie diese in die produktive Umgebung. Dabei koordinieren Sie sowohl interne als auch externe Ressourcen. - Obtain/Build
Diese Aktivität befasst sich mit dem Einkauf, der Entwicklung und Bereitstellung aller benötigten Ressourcen, etwa Software, Hardware oder Know-how. - Deliver & Support
Die „Lieferung und Unterstützung“ stellt sicher, dass Services wie vereinbart beim Kunden ankommen und den Betrieb nachhaltig unterstützen. Sie ist entscheidend für die Nutzerzufriedenheit.
So greifen die Aktivitäten ineinander
Die Aktivitäten der Service Value Chain greifen selten linear aufeinander. Vielmehr fließen Informationen und Aufgaben je nach Situation flexibel zwischen den Aktivitäten. Dies trägt dazu bei, dass Unternehmen schneller auf Veränderungen und neue Anforderungen reagieren können. Beispielsweise kann ein Verbesserungsvorschlag aus der Support-Phase einen neuen Design-Prozess auslösen, der wiederum Ressourcen aus der Build-Phase benötigt.
Verknüpfung mit den ITIL Practices
Jede Aktivität der Service Value Chain wird durch eine Vielzahl an sogenannten ITIL Practices unterstützt. Diese Practices ersetzen die starren Prozesse früherer ITIL-Versionen und bieten ein umfangreiches Instrumentarium für konkrete Aufgabenfelder. Sie reichen von Change Control über Continual Improvement bis hin zu Relationship Management und ermöglichen so eine maßgeschneiderte Service-Gestaltung.
Beispiele für ITIL Practices, die einzelne Aktivitäten unterstützen:
- Die Practice „Portfolio Management“ sorgt in der Plan-Phase für strategische Ausrichtung.
- „Service Desk“ und „Incident Management“ sind essenziell für „Deliver & Support“.
- „Supplier Management“ findet maßgeblich in der Engage-Phase Anwendung.
So lässt sich die Service Value Chain optimal an die individuellen Herausforderungen eines Unternehmens anpassen.
Die Service Value Streams: Vom Ablauf zur Wertschöpfung
Damit aus den Bausteinen der Service Value Chain tatsächlich Wert entsteht, müssen Unternehmen diese zu Service Value Streams verknüpfen. Ein Value Stream bildet die Gesamtheit aller Schritte, die ein Service von der Idee bis zur Nutzung durch den Kunden durchläuft. Dabei wird jeder Stream individuell auf die jeweilige Serviceleistung zugeschnitten.
Beispiel für einen Service Value Stream:
- Ein Kunde äußert einen neuen Servicebedarf (Engage)
- Die Anforderungen werden geplant (Plan)
- Lösungen werden entworfen und getestet (Design & Transition)
- Notwendige Ressourcen werden beschafft (Obtain/Build)
- Der Service wird ausgeliefert und unterstützt (Deliver & Support)
- Erfahrungen fließen als Verbesserungsimpulse zurück (Improve)
Dadurch wird deutlich, dass die Service Value Chain kein starres Modell ist, sondern ein flexibel anpassbares Framework für nachhaltige Wertschöpfung.
Mehrwert für den Kunden
Durch die Etablierung von Value Streams kann jedes Unternehmen die Perspektive des Kunden in das Zentrum der Servicebereitstellung stellen. Nicht selten verfolgen verschiedene Teams und Abteilungen unterschiedliche Ziele. Indem aber alle Aktivitäten und Practices konsequent in Service Value Streams eingebettet sind, wird sichergestellt, dass am Ende stets ein messbarer Kundennutzen steht.
Vorteile der ITIL Service Value Chain im Überblick
Um den Nutzen der Service Value Chain zu verdeutlichen, lohnt sich ein Blick auf die wichtigsten Mehrwerte:
- Ganzheitliche Sichtweise: Die Aktivitäten der Service Value Chain helfen, den Fokus nicht auf einzelne Prozesse, sondern auf das Gesamtbild und die Wertschöpfung zu lenken.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Da die Aktivitäten situationsbedingt kombiniert werden, kann die Organisation besser auf wechselnde Marktanforderungen reagieren.
- Nahtlose Integration: Silos werden abgebaut, Abteilungen und Teams arbeiten vernetzter und transparent zusammen.
- Klares Verantwortungsbewusstsein: Durch die strukturierte Darstellung der Aktivitäten erkennen Teams einfacher, wo sie welchen Beitrag zum Gesamterfolg leisten.
- Kontinuierliche Verbesserung: Die Service Value Chain motiviert zu regelmäßigem Feedback, zur Fehleranalyse und zur agilen Entwicklung.
Weitere Vorteile für die Organisation
Ein weiterer Pluspunkt liegt darin, dass die Service Value Chain eine Brücke zwischen IT und Geschäftsbereichen schlägt. Während früher das IT-Service-Management vielerorts als rein technische Disziplin betrachtet wurde, bringt die Service Value Chain Geschäftsziele, IT und Kunden gleichermaßen zusammen. Dadurch entwickelt sich die IT mehr und mehr vom Kostenfaktor zum strategischen Business-Partner. Gleichzeitig wird der Wissenstransfer zwischen den Abteilungen gefördert und Innovationskultur nachhaltig gestärkt.
Herausforderungen bei der Einführung der Service Value Chain
Natürlich bringt die Implementierung der Service Value Chain auch gewisse Herausforderungen mit sich. Veränderungen im Service Management stoßen nicht selten auf Widerstände oder Unsicherheiten. Zudem braucht es ein fundamentales Umdenken bei Prozessen, Gewohnheiten und Strukturen.
Typische Stolpersteine sind:
- Mangelndes Verständnis der zugrunde liegenden Prinzipien
- Fehlende Kommunikation und Abstimmung zwischen den Teams
- Unklare Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Aktivitäten
- Zu starre Altsysteme oder Governance-Regeln, die Flexibilität einschränken
- Fehlende Tools zur transparenten Visualisierung von Value Streams
Nichtsdestotrotz lassen sich diese Hürden mit einer systematischen Herangehensweise und gezielten Change-Management-Maßnahmen bewältigen.
Umsetzungstipps für die Praxis
Damit die ITIL Service Value Chain tatsächlich zu mehr Wertschöpfung führt, sollten Unternehmen auf folgende Punkte achten:
- Involvieren Sie alle relevanten Stakeholder bereits in der Planungsphase.
- Bilden Sie klare Verantwortlichkeiten und Schnittstellen zwischen den Aktivitäten aus.
- Fördern Sie einen kontinuierlichen Dialog zwischen den Teams.
- Setzen Sie auf ein iteratives Vorgehen, das schnelle Anpassungen ermöglicht.
- Dokumentieren Sie Verbesserungsmaßnahmen transparent und nachvollziehbar.
Praktische Maßnahmen für einen erfolgreichen Start:
- Führen Sie regelmäßige Workshops zu den Prinzipien der Service Value Chain durch.
- Nutzen Sie Tools zur Prozessvisualisierung, mit denen sich Value Streams abbilden und optimieren lassen.
- Etablieren Sie ein offenes Feedback-System, das alle Beteiligten motiviert, Verbesserungen einzubringen.
- Sorgen Sie für regelmäßige Weiterbildung der Mitarbeiter im Bereich ITIL 4.
Dadurch lässt sich nicht nur die Einführung beschleunigen, sondern auch die Akzeptanz und Wirksamkeit in der Organisation erhöhen.
Fazit Die ITIL Service Value Chain erklärt: Die Service Value Chain als Erfolgsmotor für die IT
Die ITIL Service Value Chain revolutioniert die Art und Weise, wie IT-Organisationen an Service Management herangehen. Unternehmen, die den Value-Chain-Ansatz konsequent anwenden, profitieren von mehr Flexibilität, einer höheren Servicequalität und einer nachhaltigen Wertschöpfung. Wer die sechs Aktivitäten versteht, optimal kombiniert und kontinuierlich optimiert, schafft den entscheidenden Mehrwert – für den Betrieb und die Kunden gleichermaßen.
Mit dem richtigen Mindset, einer klaren Strategie und einer konsequenten Integration in die Unternehmensprozesse verschafft die Service Value Chain Unternehmen nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern positioniert die IT als Innovationsmotor der digitalen Zukunft.